Wie eine Aufstellung bei Krankheiten als Lösungshilfe dienen kann

Auch bei Krankheiten und anhaltenden Symptomen, die mit unserer körperlichen wie auch geistigen Gesundheit zu tun haben, lassen sich häufig Zusammenhänge im Sinne von übernommenen Schicksalsbindungen oder Stellvertretungsaufgaben im Familiensystem finden.

Symptome und Krankheiten werden aus schulmedizinischer Sicht oft als etwas Negatives betrachtet. Häufig geht es darum, “etwas wegzumachen” oder “zu beseitigen” (z.B. Übergewicht, hohen Blutdruck, erkrankte Organe). Dabei wird meist nur das einzelne Symptom, die Symptomatik oder die Krankheit in den Fokus genommen, ohne zu schauen, in welchem Gesamtzusammenhang das Ganze auftritt.

Mittlerweile hat sich allerdings die Erkenntnis etabliert (zumindest bei immer mehr SchulmedizinerInnen), dass Körper und Geist zusammen betrachtet werden sollten. Jedes Symptom auf der körperlichen Ebene hat auch immer eine Auswirkung auf die Psyche des Menschen, und andersherum. Nur bis das sicht- und spürbar wird, dauert es oftmals.

Krankheits- oder Symptomaufstellung

Die Krankheit als Botschaft

Der systemische Ansatz betrachtet eine Krankheit oder ein Symptom eher positiv, als eine Botschaft des Körpers oder der Psyche. Diese Botschaft gilt es mithilfe einer Aufstellung zu entschlüsseln und sie in einem größeren Kontext, vor allem dem des Familiensystems, zu verstehen.

Dabei geht es darum, die Botschaft der Krankheit/des Symptoms für den Mensch zu verstehen, im Gesamtzusammenhang zu betrachten und zu integrieren. Es geht darum, Selbstkompetenz und -wirksamkeit zurückzugewinnen sowie eine gesunde Lebensqualität.

Jahrzehntelange Aufstellungsarbeit zum Thema Krankheit/Symptome hat gezeigt, dass häufig dysfunktionale familiäre Kommunikationsmuster als Auslöser dafür dienen. Somit ist häufig der/die “PatientIn” lediglich Träger des Symptoms eines anderen Problems im Familiensystem.

Hilfreiche Fragen

Bevor sich eine systemische Aufstellung anbietet, sollte man aus schulmedizinischer Sicht seine Krankheit oder Symptomatik abgeklärt haben.

Vor einer Aufstellung können u.a. folgende Fragen für den/die Aufstellende hilfreich sein zur Vorbereitung:

  • Um welche Krankheit/Symptomatik geht es genau?

  • Wann trat die Krankheit/Symptomatik das erste Mal auf?

  • Gibt es in der Herkunftsfamilie jemanden, der ähnliche Symptome zeigt(e)?

  • Welche positive Funktion könnte die Krankheit/Symptomatik für mich haben?

  • Was würde sich eventuell ändern (und für wen), wenn die Krankheit/Symptomatik plötzlich weg wäre?

Aufstellung von Krankheit oder Symptomen

Das Augenmerk bei einer Aufstellung wird am besten auf die Thematik gerichtet, die im Moment für den/die Aufstellende am wichtigsten ist bzw. den größten Leidensdruck erzeugt.

Häufig wird eine Stellvertretung für den/die KlientIn aufgestellt, sowie für die Krankheit/das Symptom und entsprechende Familienmitglieder, die in irgendeinem Bezug dazu stehen. Es können auch erkrankte Organe (wie z.B. Lunge, Magen, Darm, etc.) oder Teile aus dem Körpersystem (z.B. Herz-Kreislauf-System oder Gelenke, etc.) aufgestellt werden. Außerdem können manchmal auch Elemente wie “das ausgeblendete Thema”, ein “Ziel” oder ein “Wunder” dazugestellt werden.

Häufig zeigen sich im Verlauf der Aufstellung ungelöste Schicksalsbindungen, die es gilt zu erkennen und zu befrieden. Es ist oft hilfreich, dass der/die Aufstellende das übernommene Symptom/die mitgetragene Last, die zur Symptomatik geführt hat, an ein früheres Familienmitglied zurückgibt in Form eines Rückgaberituals. Nicht selten kann das Symptom dann das System ganz verlassen (in der Aufstellung zieht es sich zurück oder geht ganz raus aus der Aufstellung) oder ändert seine vormals leidauslösende Funktion zu einer Ressource (wie Aufpasser oder Begleiter) oder zu einem Warnsignal.

Fallbeispiel Chronischer Nackenschmerz

Genogrammarbeit zum Familiensystem

Frau M., 52 Jahre alt, möchte eine Aufstellung im Einzelsetting zu ihrem chronischen Nackenschmerz machen. Seit gut drei Jahren begleitet der Schmerz sie. Sie war bei Orthopäden, Osteopathen, im MRT, zu cranio-sakralen Behandlungen, bei der Massage und Akupunktur. Keine Anwendung resultierte in einer spürbaren Linderung des Schmerzes. Die Klientin wird das Gefühl nicht los, dass ihr buchstäblich etwas “im Nacken sitzt”. Bei der gemeinsamen Genogrammarbeit zu ihrer Familie zeigt sich u.a., dass ihre Großmutter mütterlicherseits mit 49 Jahren (also genau in dem Alter, als das Leiden bei Frau M. anfing) den Unfalltod ihres jüngsten Sohnes erlebt hat. Dieser Verlust führte die Großmutter in eine tiefe Depression.

Bei der anschließenden Aufstellung wählt Frau M. Bodenanker für sich, ihre Krankheit, ihre Eltern und ihre Großeltern aus. Als sie sich auf den Bodenanker ihrer Großmutter mütterlicherseits stellt, fällt sie sofort auf die Knie und fängt an zu weinen. Sie guckt auf einen Punkt auf dem Boden und kann nicht aufhören zu weinen. Als wir einen Bodenanker auf diese besagte Stelle legen, die für ihren getöteten Sohn steht, lässt das Weinen langsam nach. Mit Hilfe von Lösungsritualsätzen gelingt es der “Großmutter”, einen liebevollen Blick auf ihren Sohn zu haben und dankbar dafür zu sein, ihn für eine gewisse Weile im Leben begleitet zu haben. Zurück auf dem Bodenanker für sie selbst spürt die Klientin eine tiefgehende innere Ruhe, die sie ausfüllt. Auf dem Bodenanker des “Nackenschmerzes”, der zu Beginn der Aufstellung den Fokus auf “Frau M.” gerichtet hatte, spürt die Klientin ein nachlassendes Interesse der Krankheit an “Frau M.”.

Auf Rückfrage nach 6-8 Wochen berichtet die Klientin, dass ihre Nackenschmerzen deutlich zurückgegangen sind. Sie war auch zum ersten Mal am Grab ihres verunfallten Onkels und spürte erneut den wohltuenden inneren Frieden.

Verstrickung gelöst, Lebensqualität zurückerlangt

Natürlich zeigt sich nicht bei allen Aufstellungen immer eine so deutliche Verbesserung der Symptomatik, häufig allerdings kommt es zu einer deutlichen Beruhigung ebendieser. Allein durch das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Krankheit und Familienbindung ändert sich oftmals der Fokus der Betroffenen vom vormals “lästigen Übel” der Krankheit/Symptomatik hin zum wertvollen Hinweis oder eines Lösungsfortschritts.

In jedem Fall lohnt sich der Erkenntnisgewinn durch die Aufstellungsarbeit immer für den weiteren Weg der persönlichen Entwicklung.

Hier geht es zum nächsten Aufstellungstag “Krankheit”.

Zurück
Zurück

Die faszinierende Welt der Genogrammarbeit

Weiter
Weiter

Pferdegestütztes Coaching in der HofHeimat (5)